Meine Frau – Zauberwesen in meiner (Paranoia)-Welt
Allerdings gibt es meine Frau. Und die kann ganz fulminant mit Internetverkaufsportalen umgehen. Sie ist auch diejenige, die die Lebensmittel im Überblick hat und alle Reparaturen erledigt. Sie liebt es, in den Baumarkt zu fahren, ich trotte ihr dann immer wie ein Alien hinterher und staune über diese mir so völlig fremde Welt der Dinge, die ich niemals brauchte.
Sie ist es auch, die meine Nerven beruhigt, wenn es in diesem "Reality-Minecraft-Giga-Shop" zu überfordernd für die sensible Seele des bescheidenen Verfassers dieser Zeilen wird. Mimik und Wortbeiträge kommen dann langsam vom Gleis der Angemessenheit ab, derweil sich Katastrophen am laufenden Band abspielen, höhere zweistellige Beträge für Produkte, deren Zweck und Namen ich nicht kenne, dazu diese ungesund schmeckende, bestimmt von giftigen Feinstoffen kontaminierte Baumarktluft und all diese komischen Ideale längst vergangener Jahrzehnte: Frisuren und Shorts-Socken-Sandalen-Ballungen, Bulldozer-artige Menschen, die mich unter ihren drahtig-buschigen Augenbrauen finster anfunkeln, weil ich in ihren "Schraubenmutterntempel" eingedrungen bin und Unmut ausstrahle.
Und da, der ganz besonders feist und feindlich aussehende Mistkerl da, hat der nicht eben ein Auge auf meine Frau geworfen? Wo ich dabei stehe???!!! Ja gibt’s denn das?!?!?!?! Ich muss hier raus, Alarmstufe Rot, Ausnahmezustand, bitte, evakuieren Sie mich schnellstmöglich aus diesem Leben!!!! Der Puls geht hoch, gebeutelt zwar und doch zum Angriffssprung bereit, tigere ich planlos durch die Gänge, um mich etwas herunterzuholen.
Doch letztendlich helfen nur noch die Zauberworte meiner besseren Hälfte, die ich – ein erster Lichtblick! – bereits an der Kasse finde, schon aus der Ferne erkennt sie meinen Zustand, eben noch eine Festung, nun ein Kartenhaus kurz vor dem Sturm, da spricht sie auch schon die Zauberformel:
Es ist gar nix los! Geh ruhig schon eine rauchen, während ich mich in diese, ja du hast recht, die Menschenwürde verletzende, unaushaltbar lange und ebenso langsame Kassenschlange stelle. Und – was? Nein, selbst, wenn er mir schöne Augen gemacht hätte, ich hätte dann natürlich ausschließlich nur Abscheu empfunden, weil ich ja nur dich liebe, meinen einzigartigen Mann. Du bist für mich das zentrale Sonnengeflecht in der Mitte des Universums, alle anderen gegen dich sind nur kleine ödgraue, traurig in ihren Ellipsen schlingernde Trabantenmonde, leblos und tot, nur kosmischer Dreck unter dem Fingernagel Gottes, dessen Lustzentrum du für mich bist, mein Göttlicher.
Na ja, oder so ähnlich. Früher als Kind war es leichter, da musste Mama nur pusten. Aber jetzt muss sich die geneigte Liebespartnerin schon was einfallen lassen, um den Staub der Welt aus dem Herzen ihres Dornenboys gepustet zu kriegen.