ADHS & Mein Leben mit Adam

„Intensitäten“ – es gibt keinen treffenderen Begriff, um mein Leben mit Adam und meine Liebe zu Adam kurz und prägnant zusammenzufassen. Intensiv ist alles an Adam. Intensiv ist alles an unserer Beziehung. Intensiv ist das gesamte Leben mit Adam, einem Menschen, der mit ADHS lebt.

Intensitäten – von Anfang an

Wenn ich ehrlich bin, gehörte ich vor meiner Zeit mit Adam zu den Menschen, die felsenfest davon überzeugt waren, dass es das große phantastische bedeutsame Wort „Liebe“ nur für Phantasien, Träumereien, Romane, Filme und Liebeslieder gibt. In meiner Realität verliebte man sich, bildete mehr oder weniger ein funktionales Team, dem die Gefühle mit der Zeit zwingend abhanden gehen würden. Als dann beschränkten die Partner sich auf die gemeinsame Bewältigung aller Projekte, die im gemeinsamen Leben entstehen, zum Beispiel Kinder, Haus, Freizeitgestaltung, Socializing – kurz gesagt: Beziehung als funktionierendes System zur Aufrechterhaltung der erwünschten gesellschaftlichen Strukturen.
So lebte ich 41 Jahre – lieblos, mit abgeschalteten Gefühlen, unglücklich, ohne es zu fühlen, funktionierend, alle Rollen augenscheinlich perfekt ausgestaltet, alle gesellschaftlichen Forderungen erfüllend: erfolgreich als Mutter, Ehefrau, Vollzeit-Arbeitnehmerin, schlank, sexy, sportlich, intelligent, gesellig, beliebt, bewusst. Ich hielt mich für selbstbewusst – aber ich hatte kein Bewusstsein für mich selbst.

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Dann traf ich Adam wieder.

Ein Jugend-Subkultur-Revival-Treffen „der Leute von früher“ – nur ein Gespräch mit Adam am Lagerfeuer reichte aus, um ihn in meinem Kopf zu halten. Aus meiner Kontaktanfrage per Email resultierte ein krass intensiver Email-Austausch mit ihm, der mich bereits nach einer Woche die Klarheit spüren ließ, dass meine 18 Jahre dauernde, auf Sicherheit und Funktionieren ausgelegte Beziehung vorbei sein musste. Ich trennte mich sofort von meinem Ehemann.

Adam – der erste Mann in meinem Leben, der keinen Kompromiss für mich bedeutet. Er schaut mich an, er interessiert sich, schreitet selbstbewusst in meine Seele, in mein Herz, erkennt mich als Menschen, benennt mich als Menschen, appelliert an meine Wahrhaftigkeit, an meine innere Schönheit, fegt äußere und innere Störungen weg, duldet kein künstliches Image, kein aufgesetztes Bild, verlangt die Aufgabe von fehlgeleiteten Verhaltensmustern, die bloß dem gesellschaftlichen Ansehen dienen. Er möchte mich nicht schlank, sexy, sportlich, intelligent, gesellig, beliebt und bewusst – meine gesellschaftlich anerkannte Maskerade.

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Er möchte mich, wie ich im Kern wirklich bin.

Intensitäten – Nähebedürfnis – Symbiose

Meine Neudefinition des Begriffs Beziehung ist untrennbar mit der intensiven Nähe, der intensiven Hingabe an mich, die meine Person in seinen absoluten Weltmittelpunkt rückt, verbunden.
Adam nennt diesen anzustrebenden Beziehungsstatus „Ausschließlichkeit“, basierend auf größtmöglicher Nähe, dem „Rücken an Rücken“ - Prinzip (100%-ige Verlässlichkeit), auf Ehrlichkeit und gegenseitiger Hingabe.
Was mir in meinem alten Leben absurd vorgekommen wäre – nämlich dass ich all meine Zeit nur einem Menschen, meinem Partner, widme, dass er die absolute Wahrheit über mich kennt, wie ich fühle, was ich denke, Abgründe und Leuchtsteine, dass er sich im Außenverhältnis 100%-ig auf mich und meine Rückendeckung verlassen kann – lebe ich nun in einer nahezu symbiotischen Beziehung.

Auch wenn immer mal Verhaltensmuster und Stolpersteine aus meinem alten Leben dazwischen grätschen, bleibt Adam konsequent, reicht mir die Hand und begleitet mich zurück auf unseren Weg.
Adams Beziehungsmodell der „Ausschließlichkeit“ findet seinen täglichen Ausdruck und seine Bestätigung in zahlreichen gemeinsam erlebten Momentaufnahmen an jedem Tag. Schlafen wir eng aneinander gekuschelt ein, wachen wir auch so wieder auf. Wir schlafen zusammen unter einer Bettdecke – Standardgröße – und noch keine Nacht hat einer von uns gefroren. Wir haben denselben Arbeitgeber, arbeiten nur 20 Meter Luftlinie voneinander entfernt, sehen uns so oft es geht zwischendurch, schreiben uns Textnachrichten, wir duschen gemeinsam, treiben gemeinsam Sport oder liegen entspannt auf dem Sofa – immer gemeinsam.

Adam findet die wunderbarsten Worte über mich, er gießt all seine Liebe zu mir in verbale und schriftliche Lyrik, in unsere körperliche Nähe. Ich fühle mich in jedem Moment meines Lebens begehrt, geliebt, gewollt, glücklich.

Intensitäten – Austreibung des gesellschaftlichen Teufels

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Unsere Beziehung begann gleich mit der intensivsten Zeit meines Lebens. Da waren seine hingebungsvollen Worte, seine zärtlichen Gesten, seine Fokussierung auf mich – wohnten wir noch in zwei unterschiedlichen Städten, fuhr er manche Woche viermal 200 km hin und zurück, um die Nacht bei mir zu sein – kurz gesagt: die wundervollste Liebe und Hingabe, die ich je erlebt hatte.

Fairerweise sollte man sagen, dass – und hier schließe ich tollkühn von mir auf die Allgemeinheit – die Unterschiede zwischen einem unbehandeltem ADHSler und dem mit Medikation und Bewusstsein versehenen frappant sind. Denke ich heute an „früher“ zurück, kann ich inzwischen verstehen, warum meine Partnerinnen fast wahnsinnig wurden ob des täglichen Chaos, das alle Räume erfasste und in kürzester Zeit allerlei mäandernde Stapel kultureller Artefakte wie Bücher oder modernere Medienträger, Restkleidung und Tassen, Krams und Zettelwerk über die vormals noch wohnlich-hyggelige Ebene verteilte.

Und da war seine Unnachgiebigkeit, seine konsequente Haltung, mit der er seine Werte vertrat und seine Vorstellungen von einer Beziehung verfolgte, den Finger immer wieder auf die Wunden legte, auf meine fehlgeleiteten Vorstellungen, sich in der Gesellschaft zu verorten und ihr zu entsprechen: egozentrisch, narzisstisch, einsam, ohne echte Werte.

Als ich auf Adam traf, traf ich auf den wundervollsten Menschen meines Lebens und gleichzeitig auf den krassesten „Gegner“ – wie ich es in meinem damaligen Unverständnis wahrnahm.

In den ersten Monaten, die Zeit, in der andere Paare verliebt und turtelnd durch die Welt wandern, stritten wir nächtelang über immer die gleichen Themen. Er ließ nicht locker, wies mich solange auf meine Widersprüche und Ungereimtheiten hin, durchleuchtete akribisch jeden Millimeter meines Verhaltens, meiner Gedanken, meiner Erinnerungen, bis seine Worte zu meinem Kern durchsickerten, um sich langsam und stetig dort zu implementieren und mein eigentliches Wesen unter dem ganzen Image-Dreck freizulegen. Es war die intensivste und anstrengendste Zeit meines Lebens, verwoben mit der strahlenden Liebe, die Adam von Anfang an ausmachte.

Auch heute noch achtet Adam sensibel auf jeden kleinsten Anflug von Verhaltensmustern aus meinem alten Leben, um sie konsequent anzusprechen, zu durchleuchten und im Keim zu ersticken.
Adam selbst beschrieb sich und andere Menschen, die mit ADHS leben, mit folgenden Worten:
„Wir agieren mitunter als ginge es um Leben oder Tod, weil es immer um Leben oder Tod geht, wenn dein limbisches System daueraktiv ist...“*
„ ...und scheinbare Kleinigkeiten erscheinen uns als aufkommende Katastrophe.“*
„Wenn wir etwas nicht einordnen können, geraten wir ins Taumeln oder wir versuchen eine Lösung einen Ausweg aus der vernichtenden Unklarheit zu finden.“*
Und „Wenn wir gereizt werden, sind wir ernstzunehmende Gegner.“*

Intensitäten – ohne Kompromisse

Mit Adam zu leben bedeutet, mit der Wahrheit, der Wahrhaftig, der absoluten Authentizität meiner Person, meiner Erlebnisse, meiner Gefühle, meiner Gedanken ihm gegenüber zu leben.
Er duldet keine Lügen und seien sie noch so klitzeklein, er duldet keine Ausweichmanöver, keine Ablenkungsversuche. Adam fordert sein Recht auf meine Ausschließlichkeit ein – ausschließlich Adam, ohne Kompromisse. Dasselbe schenkt er mir.

„Wir lieben heiß und innig und sind treue Seelen.“*
Ich revidiere meine fehlgeleiteten Gedanken aus meinem vorigen Leben, Liebe gäbe es nur für Phantasien, Träumereien, Romane, Filme und Liebeslieder.
LIEBE existiert, sie überstrahlt alle bisher dagewesenen Gefühle in ihrer Wärme, Schönheit, Klarheit und Verlässlichkeit.
Das ist Adam, ein Mensch, der mit ADHS lebt. Und ich liebe ihn.

* 15.10.2018 E-Mail von Adam Beyer an mich

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Über mich 

Hallo, mein Name ist Adam Beyer*. Ich bin Mitte vierzig und ich habe vor ca. 12 Jahren ADHS diagnostiziert bekommen. In diesem Blog erzähle ich über die Zeiten vor und nach der Diagnose.

Von meinem folgenden Text und den kommenden Blogtexten sind keine wie auch immer definierte „wissenschaftliche oder medizinische Darstellungen und Erklärungen“ zu erwarten, vielmehr jedoch ein aufrichtiges Bemühen um Wahrhaftigkeit. Ich schreibe, wie ich bin, wie ich fühle, wie es mir persönlich erging oder ergeht. Im Norden des Landes, im dörflichen Speckgürtel einer Kleinstadt, in der ich „meine“ berufliche Nische im sozialen Bereich gefunden habe, lebe ich als Teil eines unkonventionell gewachsenen „Patchwork-Geflechts“, meiner Familie.

* Der Name des Blog-Autors wurde zum Schutz der Person geändert.

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