Prokrastination & Zeitmanagement
„Was du heute kannst besorgen, das reicht ganz bestimmt auch morgen." Dieses falsche Sprichwort könnte das Motto aller Prokrastinierer sein. Die Prokrastination, also das extreme Aufschieben von unliebsamen Aufgaben, ist bei Menschen mit einer ADHS häufig zu beobachten. Studien zeigen, dass ADHSler mit ausgeprägtem Aufmerksamkeitsdefizit auch eher zum Prokrastinieren neigen. Aufgaben, die im Moment nicht als spannend bewertet werden, bleiben daher liegen und etwas anderes wird stattdessen gemacht – oder auch gar nichts.
Betroffene sind sich dabei oft der Dringlichkeit unerledigter Aufgaben durchaus bewusst und leiden daher stark unter ihrem eigenen Verhalten. Dies kann zu psychischen Beschwerden wie Stress, Ängsten, Scham und sogar Depressionen führen. Auch körperliche Symptome wie Schlafstörungen, Magenprobleme oder chronische Muskelverspannungen sind häufige Folgen.
Folgende Tipps zum Aufgaben- und Zeitmanagement können dabei helfen, dass die „Aufschieberitis“ nicht so starke Auswirkungen auf Alltag, Ausbildung oder Beruf und andere Lebensbereiche hat:
- Aufgaben in kleine Unteraufgaben teilen: Teilen Sie Ihre Aufgaben in kleinere Unteraufgaben und belohnen Sie sich, wenn Sie diese abgeschlossen haben. Das gute Gefühl, etwas geschafft zu haben, macht die nächste Aufgabe leichter und motiviert Sie.
- Arbeitsmaterial und Alltag strukturieren: Eine klare Struktur kann Ihnen helfen, den Überblick zu behalten und das Aufgabenpensum effizient zu bearbeiten. Dabei sollte der Fokus auch auf dem Zeitmanagement liegen, um sich nicht ablenken zu lassen oder sich stundenlang in einem Thema zu verlieren. Dabei können auch Apps oder andere technische Hilfsmittel helfen.
- Aufgaben gemeinsam erledigen: Nehmen Sie die Hilfe von Freunden, Bekannten und Kollegen an oder erledigen Sie Aufgaben gemeinsam mit anderen, entweder persönlich oder übers Telefon. Der andere kann dabei auch eine vollkommen andere Aufgabe erledigen – oft motiviert es schon, selbst Aufgaben zu erledigen, wenn man dabei andere Personen bei der Arbeit sieht. Niemand ist perfekt oder kann alles allein.
- Ablenkung minimieren und Grundbedürfnisse erfüllen: Sorgen Sie vor der Umsetzung dafür, dass Ihre körperlichen Grundbedürfnisse wie Hunger, Durst und Schlaf erfüllt sind. Reduzieren Sie Ablenkungsquellen und schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre, in der Sie die Aufgaben gut erledigen können.
- Aufgaben mit Spaß verbinden: Verbinden Sie Aufgaben mit Spaß, vielleicht mit Musik zum Tanzen im Hintergrund, oder mit einem spannenden Hörbuch, das Sie nur während der Hausarbeit weiterhören.
- Prinzip der Arbeitszeitrestriktion anwenden: Arbeiten Sie nur in vorher definierten, kurzen Zeitfenstern an einer geplanten Aufgabe. Schaffen Sie es, innerhalb dieser Zeitintervalle effizient zu arbeiten, können Sie Ihre Arbeitszeiten langsam erhöhen. So nehmen Sie sich nicht zu viel vor, haben regelmäßige Erfolgserlebnisse und nähern sich Schritt für Schritt Ihrem Ziel.
ADHS in Ausbildung, Studium und Beruf
Die Frage „Was willst du mal werden, wenn du groß bist?“ beschäftigt viele Menschen, ob mit oder ohne ADHS. Während manche früh wissen, welchen Beruf sie ergreifen wollen, fällt anderen die Entscheidung schwerer. Es gibt keine typischen oder ungeeigneten Berufe für ADHS-Betroffene – wichtig ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen. Menschen mit einer ADHS zeichnen sich oft durch Kreativität, Energie und Tatendrang aus, die sie auch im beruflichen Kontext vielfältig einsetzen können!
Hilfreiche Tipps für Auszubildende, Studierende und Berufstätige mit einer ADHS finden Sie auf unserer Informationsseite ADHS bei Erwachsenen. Auch praktische Informationen zum Nachteilsausgleich in Berufsausbildung und Studium sind dort zu finden.
Ernährung bei ADHS
Diät oder Verzicht?
Ob die Ernährung einen direkten Einfluss auf die ADHS hat, wird schon lange diskutiert und auch stetig in wissenschaftlichen Studien untersucht. In verschiedenen Ansätzen werden teilweise bestimmte Lebensmittel bevorzugt während in anderen bestimmte Lebensmittel gemieden werden, um die ADHS-Symptomatik zu mildern.
So wurde gezeigt, dass eine fettreiche Ernährung in Mäusen ADHS-ähnliche Verhaltensmuster hervorrufen und die Schlafqualität negativ beeinflussen kann. Andere Forschende untersuchten den Einfluss einer ketogenen Diät auf die ADHS. Das ist eine Ernährung mit wenig Kohlenhydraten und viel Fett, die den Körper dazu bringen soll, Fett statt Kohlenhydrate als Energiequelle zu nutzen. Bei Ratten führte diese interessanterweise zu einer Verminderung der ADHS-Symptome, was die Folge einer veränderten Darmflora und daraus resultierenden veränderten Gehirnbiochemie sein könnte. Ob diese Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragen werden können, ist aber bislang nicht untersucht.
Bei einer Eliminationsdiät, auch „Few-Foods-Diät“ oder oligoantigene Diät genannt, werden bestimmte Nahrungsmittel aus dem Speiseplan komplett gestrichen, um zu sehen, ob sie die ADHS-Symptome beeinflussen. Zwar konnte vor Kurzem in einer Vergleichsstudie bei Kindern gezeigt werden, dass bei den meisten Kindern die ADHS-Symptome nicht auf Nahrungsmittelallergien/-unverträglichkeiten zurückzuführen sind und daher diese Eliminationsdiät nicht zu einer Besserung der Symptome führt. Dennoch empfiehlt die deutsche ADHS-Leitlinie, dieses Vorgehen ggf. in Betracht zu ziehen, jedoch nur in Zusammenarbeit mit Ernährungsberater:innen und dem Kinderarzt bzw. der Kinderärztin.
ADHS und Essstörungen
Nicht jedes ungesunde Essverhalten ist direkt eine Essstörung. Besonders mit einer ADHS kann es schon einmal vorkommen, dass man wichtigere Dinge zu tun hat, als sich eine gesunde und leckere Mahlzeit zu kochen. Noch dazu können manche ADHS-Medikamente appetithemmend wirken und somit auch zu Gewichtsverlust führen. Unregelmäßiges Essen sollte dennoch nicht zur Gewohnheit werden.
Ungesundes Essverhalten kann sowohl zu einem Mangel als auch zu einem Überangebot an Nährstoffen führen. Um beispielsweise Serotonin (ein Botenstoff, der unsere Stimmung reguliert) bilden zu können, braucht unser Körper die richtige Mischung an Aminosäuren, welche wir durch unsere Nahrung aufnehmen. Stimmt das Verhältnis nicht, kann ein Serotoninmangel entstehen, der es ADHSlern noch schwerer macht zur Ruhe zu kommen. Wie alle Menschen profitieren also auch ADHSler generell von einer ausgewogenen und gesunden Ernährung.
Medizinisch bedenklich wird es dann, wenn das abnormale Essverhalten zu einer Essstörung wird. Tatsächlich zählen Essstörungen auch zu den zahlreichen möglichen Begleiterkrankungen einer ADHS. Dabei neigen ADHS-Betroffene häufiger zum übermäßigen Essverhalten als Vergleichsgruppen und sind häufiger übergewichtig. So kommen etwa Bulimie und Binge Eating (periodische Heißhungeranfälle) bei impulsiven ADHSlern häufiger vor, v.a. bei erwachsenen Frauen. Restriktives Essverhalten, also eine Magersucht, wird dagegen stärker mit dem ADHS-Symptom der Hyperaktivität in Verbindung gebracht und vermehrt bei Männern beobachtet.
ADHS und die innere Uhr
Menschen mit einer ADHS haben häufig ein Problem mit der Pünktlichkeit. Hierfür könnte es sogar eine biologische Begründung geben. Tatsächlich vermuten Wissenschaftler, dass bei ADHSlern die subjektiv empfundene Zeit verändert ist, also die innere Uhr anders tickt. Dadurch beurteilen Menschen mit einer ADHS z.B. die Dauer von Zeitspannen oft länger als sie wirklich sind. Dahinter stecken vermutlich Veränderungen in bestimmten Gehirnregionen, die für die Zeitwahrnehmung von Bedeutung sind.
Im täglichen Leben kann diese veränderte Wahrnehmung von Zeitspannen dazu führen, dass Betroffene Schwierigkeiten beim Planen von Aufgaben haben, da sie den Zeitaufwand schlechter einschätzen können, sie bei der Arbeit Fristen oft nicht einhalten können und dazu neigen, zu spät zu Terminen und Verabredungen zu kommen.
Freizeit und soziales Leben
Hobbys und Sport
Hobbys können für Menschen mit einer ADHS eine hervorragende Möglichkeit sein, ihre Kreativität und Begeisterungsfähigkeit auszuleben. Regelmäßige Aktivitäten helfen dabei, Selbstmanagement-Fähigkeiten zu entwickeln und den Alltag besser zu strukturieren. Kreative Hobbys wie Malen, Musik machen oder Schreiben fördern die Ausdrucksfähigkeit und können dabei helfen, innere Unruhe zu reduzieren. Aktivitäten, die Begeisterung wecken, wie z.B. Sport, können einen positiven Ausgleich bieten. Egal, ob Sie lieber drinnen oder draußen Sport treiben, allein oder in der Gruppe – regelmäßige körperliche Aktivität kann helfen, ADHS-Symptome zu lindern.
Studien haben gezeigt, dass Sport die Aufmerksamkeit und Konzentration verbessern kann, indem er die Neurotransmitter Dopamin und Noradrenalin freisetzt. Es gibt keine spezifischen Sportarten, die nachweislich besser sind als andere, also wählen Sie einfach die Aktivität, die Ihnen Spaß macht und Ihnen gut tut.
Partnerschaft und Sexualität
Wie in Freundschaften und anderen sozialen Beziehungen, können typische ADHS-Verhaltensweisen auch die Partnerschaften der Betroffenen beeinflussen.
Wenn etwa wiederholt Verabredungen verpasst oder Jahrestage vergessen werden, kann das für Unmut beim Partner oder der Partnerin sorgen. Auch die bei ADHSlern oftmals fehlende Struktur im Tages- oder auch Lebensplan kann eine Beziehung auf die Probe stellen.
Akzeptanz, Respekt und bewusste Strategien für den Umgang mit Konflikten sind daher entscheidend für gesunde Beziehungen. Offenheit und Geduld helfen, Missverständnisse zu vermeiden und die Dynamik in Partnerschaften zu verbessern.
Hilfreiche Informationen und Tipps zu Beziehungen, dem Umgang mit Konflikten und Sexualität finden Sie hier.
Unterstützung
Selbstfürsorge bei ADHS
ADHS & Selbstbild
Menschen mit einer ADHS können sich „nicht einfach zusammenreißen“. Die typischen ADHS-Symptome wie Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität sind daher weder die eigene Schuld noch können sie durch die eigene Willenskraft kontrolliert werden.
Werden ADHSler jedoch mit ständigen Vorwürfen, Kritik oder Beschämung konfrontiert, kann das allerdings die Selbstwahrnehmung der Betroffenen grundlegend beeinflussen. So leiden vor allem Menschen mit einer unbehandelten ADHS unter einem geringeren Selbstwertgefühl als neurotypische Personen.
Selbstwertgefühl bezeichnet dabei die subjektive Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Person, also wie man seine eigenen Fähigkeiten, Persönlichkeitsmerkmale und Errungenschaften sieht und bewertet. Ein möglicher Grund dafür, dass ADHS-Betroffene ein geringeres Selbstwertgefühl haben, ist die Stigmatisierung der ADHS, die auch zu einer Benachteiligung von ADHSlern führen kann. So wurde gezeigt, dass Menschen mit einer ADHS öfter kritisiert, gemobbt oder ausgeschlossen werden als Personen ohne ADHS. Die häufige Kritik am Verhalten von ADHSlern kann ebenfalls eine große Rolle spielen, wenn sie z.B. für Verhaltensweisen kritisiert werden, die mit Aufmerksamkeitsdefiziten zusammenhängen, wie mangelnde Organisation und Vergesslichkeit.
ADHS-Selbsthilfegruppen
Eine Selbsthilfegruppe kann eine wertvolle Unterstützung für Menschen mit einer ADHS darstellen. In diesen Gruppen können Betroffene sich mit anderen austauschen, Erfahrungen teilen und von gegenseitiger Unterstützung profitieren. Es gibt Selbsthilfegruppen sowohl für Erwachsene als auch für Eltern von Kindern mit ADHS. In den Treffen werden oft praktische Tipps zur Bewältigung des Alltags mit ADHS gegeben und es besteht die Möglichkeit, sich über Therapiemöglichkeiten und andere Hilfsangebote zu informieren. Selbsthilfegruppen bieten eine vertrauensvolle Umgebung, in der man sich verstanden fühlen und gemeinsam Lösungen finden kann.