Wie und wann wurde deine Diagnose „ADHS“ gestellt?
Die Diagnose ADHS habe ich vor ungefähr zweieinhalb Jahren erhalten, nachdem ich mehr als acht Jahre nach der Ursache für meine Wutausbrüche gesucht habe. Meine Hausärztin war dabei eine große Unterstützung und hat mich an eine Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie überwiesen, die dann ADHS diagnostiziert hat. Die Diagnose kam für mich sehr überraschend – ich bin davon ausgegangen, dass ADHS nur kleine Jungen in der Grundschule haben. Ich habe dann ein Buch über ADHS bei Erwachsenen gelesen und beim Lesen geweint, weil ich mich auf jeder einzelnen Seite wiedergefunden habe. Ich hatte das Gefühl, das Buch handelt von mir.
In den Jahren zuvor habe ich etliche andere Diagnosen von Depression bis Burnout erhalten. Ich habe damals auch vieles ausprobiert - Psychosomatische Reha, verschiedene Therapien und sogar Hypnose. Manches davon half bedingt, anderes wiederum gar nicht. Nicht zu wissen, was mit mir los ist, war sehr belastend für mich. Erst die Diagnose ADHS brachte mich weiter.
Wie haben sich die ADHS-Symptome bei dir geäußert und wie äußern sich diese heute?
Mein Hauptsymptom waren unkontrollierbare Wutausbrüche, in denen ich komplett neben mir stand. Ich wusste in diesem Moment, dass das absolut nicht gerechtfertigt ist, aber ich konnte einfach nichts dagegen tun. Jedes Mal habe ich mir vorgenommen „Das nächste Mal hast du dich unter Kontrolle. Das nächste Mal flippst du nicht aus.“. Und dann kam das nächste Mal und ich konnte es wieder nicht aufhalten. Ich habe mich immer wieder selbst enttäuscht. Das war das aller schlimmste. Es fiel mir immer schwer zu beschreiben, wie es mir dabei geht. Darum habe ich versucht zu malen, wie es dabei in mir aussieht. Dass ich weitere typische ADHS-Symptome aufweise, ist mir eigentlich erst nach der Diagnose bewusst geworden. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten mich auf bestimmte Themen zu konzentrieren, habe mir alles sehr zu Herzen genommen, konnte mich schlecht organisieren und war sehr vergesslich. Das ist auch heute noch ein Thema. Mein Handykalender und Erinnerungswecker sind dabei häufig meine Rettung. Das wichtigste ist aber, dass ich heute meine Wut gut unter Kontrolle habe. Ich handle allerdings immer noch impulsiv. Ich habe zum Beispiel gerade einen Hamster gekauft, obwohl ich eigentlich mit unseren Haustieren genug zu tun habe. Umso mehr Stress ich habe, desto impulsiver handle ich. Ich tue dann Dinge, über die ich eigentlich schlafen sollte. Und eigentlich weiß ich das. Und eigentlich ist eigentlich kein Wort. Und trotzdem tue ich es. Und dann stehe ich wie gestern Abend da und habe einen Hamster samt Zubehör vor mir stehen.
Was würdest du anderen ADHS-Betroffenen mit auf den Weg geben?
Informiert euch über ADHS. Denn nur wenn man die eigenen Schwächen genau kennt, kann man auch daran arbeiten. Es benötigt viel Zeit, um Strukturen zu verändern oder neu zu erlernen. Das passiert nicht von heute auf morgen. Und das muss es auch nicht. Meine Therapeutin hat mal zu mir gesagt: „Nicht sofort, sondern immer öfter“ und das finde ich sehr passend. Wir sollten auch kleinere Erfolge feiern. Mir hat es dabei sehr geholfen ein Glückstagebuch zu führen. Ich schreibe mir jeden Abend Dinge auf, die gut gelaufen sind oder die meinen Tag schöner gemacht haben. ADHSler neigen häufig dazu, viel zu viel Gewicht auf das Negative zu legen. Dabei war heute vielleicht gar nicht alles blöd. Anfangs ist mir das sehr schwergefallen, aber es wird immer leichter, sobald man den Fokus verändert. Gebt also nicht auf und führt euch immer wieder die positiven Seiten eurer ADHS vor Augen! Es gibt so viele davon.
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