Versuch einer Anti-Stress-Strategie nach ADHS-Art
Inzwischen weiß ich: Doch, das geht. Und zwar so: Medikation und vor allem Umdenken und -lernen, sich immer wieder „entframen“ und starr gewordene Denkmuster aufbrechen, Selbstbewusstsein entwickeln und die erkannten Schwächen und die Schnittstellenproblematik zu meinem Umfeld angehen, Einiges ändern, Anderes kultivieren, Manches einfach lassen.
Da für gewöhnlich, wenn man sich nicht drum kümmert, alle Tage nun einmal anders enden – und das auch noch anders als geplant! –, sollten die Tage zumindest doch gleich beginnen. Früher oder später kommen sie dann eh von der angenommenen „Idealverlaufskurve" ab, aus der Spur geworfen durch die in vielfältigen Darreichungsformen auftretenden Unwägbarkeiten, Stolpersteine, Fallstricke, Überraschungen und Katastrophen des Alltags. Spätestens dann ist: Stress.
Die Zeit läuft einem davon, die Kräfte schwinden angesichts einer schier endlos und unbezwingbar erscheinenden Zielgeraden, die Nerven liegen blank, die nächste Eskalation mit vermutlich völlig unbeteiligten, mir jedoch nahe stehenden guten und geliebten Menschen, die einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort sind (nämlich mir nahe) erscheint unausweichlich – ich höre das Gras wachsen, rege mich über die Fliege an der Wand auf, jede Laus, die hier auf Erden wandelt, ist mir bereits über die Leber gelaufen und alle können mir den Buckel runter rutschten. Weil einfach mal wieder gar nichts läuft, zumindest nicht so, wie ich will: worst case szenario!
Temporäre Pronomina – der Stress um die Bedeutung von Worten ...
Also, meine Frau, die sagt manchmal „Ich komme jetzt zu dir" und dann dauert es mehr als zwei Sekunden, also hätte sie sagen müssen „ich komme GLEICH zu dir". Ich weiß nicht, wie oft ich diese wirklich bedeutsame Thematik angesprochen habe, führt diese Thematik doch zu Stress pur, nämlich einer Nichttätigkeit, die die Autoren sensibles Nervenkostüm aber sowas von fertigzumachen vermag: „Warten. Die Hölle auf Erden.”
Vergeudete Lebenszeit aufgrund von Nachlässigkeit und Geringschätzung anderer. Nicht hinnehmbar. Meine berühmt-berüchtigte Zeitschlamperei (Ich: Ach, der Abgabetermin war gestern? Leider – Schande auf mein Haupt – mögliche Antwort des Gegenübers: Nein. Gestern vor einem Monat.) ehrt mich nun auch nicht gerade, aber immerhin weiß ich:
Wer jetzt sagt, aber gleich erst kommt, hat nicht die Wahrheit gesprochen, basta! Und das macht nun wirklich Stress! Ich reagiere also sofort, indem ich, noch bevor wir ins Auto gestiegen sind, die diesbezüglich offenbar dringend notwendige Diskussion zu eröffnen mich nicht scheue, und erkläre in schriller, viel zu schneller Stimme, nervig lehrmeisterhaft, wie es wirklich ist, das Leben, die Wahrheit, das Universum und wir Menschen und alles, was irgendwie dazwischen geraten ist ...
Bis ich an den mitleidigen Minen meiner drei Liebsten, die souverän wie sie sind, nicht in den Konflikt gehen, sondern in Vogelperspektive locker darüber stehen, merke, wie total lächerlich ich mich mal wieder mache, so dass ich ad hoc den Nervmodus verlasse - eine Leistung evolutionärer Qualität will ich meinen. Obwohl ich an dieser Stelle zwingend auf folgendes wegweisendes Ereignis aus jungen Vaterjahren zu verweisen habe. Damals, als die Mädchen so vier waren (ich bin mit Zwillingen gesegnet), und ich aufgrund irgendeiner, inzwischen längst vergessenen unerwünschten Aktion ein Wort zum Sonntag zum Besten gab, welches von meiner einen Tochter mit den Worten „Papa, das ist jetzt zu doll, kannst aufhören, wir haben's ja verstanden" bedacht wurde.
... und andere Übertreibungen
Und was soll ich sagen, sie hatte natürlich Recht, und ich bat für mein mit Kanonen auf Spatzen schießen um Verzeihung. Und die Kinder lernten, Erwachsene können Fehler machen und eingestehen und aufgrund dessen ihr Verhalten nachhaltig korrigieren. Es stimmt wohl, wenn die Leute sagen, Pädagogik ist Liebe und gutes Beispiel. Um meine in Sachen abrupte Stimmungslagenwechsel gestählte geliebte Familie mit völlig anderer Tonalität zu fragen: He, kennt ihr dieses Lied schon? Das ist ja nun wirklich mal eins der besten Lieder der Welt!
Also, als ich das das erste Mal gehört hab, da war ich ja gerade in Bielefeld am Bahnhof, da steht also dieser Typ mit so'nem T-Shirt, wo ich von weitem schon dachte, na wenn das man nicht von der letzten Tour ist, also die wo, ob ihr's glaubt oder nicht, der zweite Rhythmusgitarrist wegen eines Zeckenbisses nicht mitkonnte, weshalb dann (der geneigte Leser möge an dieser Stelle Verständnis dafür haben, dass weite Teile des Monologs aufgrund von Empathie für ihn gekürzt wurden) na ja, das war ja damals im April 88, also das war ja überhaupt so'n Jahr für die Popkultur, dafür müsst ihr nur mal reinhören in, ach wartet, das kann ich ja schnell mal anmachen, von dem hier habt ihr ja jetzt den Refrain gehört und mir fällt gerade ein, dass diese andere Version, ich glaub live 89 Paris oder war es diese Doppel-LP, ja auch viel besser ist, weil sie diese eine Gitarre da so schön fies jaulen lassen an der Stelle, die gleich kommt, also Obacht! Jetzt! Gleich! Kommt! s i e ――
Funklöcher sind bei uns in der nordostniedersächsischen Tiefebene gang und gäbe. Als eine Nanosekunde vor der Klimax der heiligen Stelle des heiligen Liedes die Box verstummt, herrscht für ein paar Sekunden absolute Stille. Dann hallt durch die Wälder der Region ein Schrei, so markerschütternd und schrecklich, dass Hirsche, die auf Lichtungen äsen, stolz ihr Haupt erheben, um sogleich mit Füchsen, Eichhorn und Schwarzspecht Reißaus zu nehmen.
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„Intensitäten“ – es gibt keinen treffenderen Begriff, um mein Leben mit Adam und meine Liebe zu Adam kurz und prägnant zusammenzufassen. Intensiv ist alles an Adam. Intensiv ist alles an unserer Beziehung. Intensiv ist ...
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Während ich diese Zeilen tippe, befinde ich mich: im Urlaub (ja, ist es dann noch einer?), zwar zuhause, aber frei von morgendlichem Wecker-Diktat und allabendlicher, meist scheiternder...