Und Sport? Ein Privileg der Landlosen!?
Mein Erstgedanke: Woher soll ich wissen, ob ich nächste Woche Lust z. B. auf Squash (gibt's das noch?) habe!? Ich halte es sogar eher für höchst unwahrscheinlich, dass ich jede Woche an einem bestimmten Tag zu einer bestimmten Uhrzeit auf eine bestimmte Sportart Lust habe. Ich wehre mich schließlich auch bei der Arbeit seit Jahren erfolgreich dagegen, für die nächste Woche Essen vorzubestellen!! Woher soll ich wissen, wann ich nächste Woche Hunger habe? Was für ein absurder Gedanke, dann nur deswegen in die Kantine zu gehen, weil man es ja nun bestellt hat. Oder gar am Vormittag in Termindruck zu kommen, um das bestellte Essen noch rechtzeitig zumindest abholen zu können.
„Sport - ein Privileg der Landlosen” - sagte in einer TV-Doku mal so schön ein gerade den Stall ausmistender Landwirt zu zwei Nordic Walkerinnen, auf die wenige Zeit anspielend, die ihm die Arbeit lässt. Aber ob's an den Ländereien liegt? Auch ohne Grundbesitz konnte ich noch nie verstehen, weshalb Menschen sich freiwillig nach Feierabend und eventuell noch wochenends weitere Termine ans Bein binden.
Alle ADHSler - begeisterte Autodidakten!?
Zwecks Broterwerbes: Mir fehlt das verkaufte und somit fremdbestimmte tägliche Drittel Lebenszeit so fundamental, dass ich über mein Restleben lieber selbst verfüge. Ist eh 'ne Milchmädchen-Rechnung der Arbeitgeber. Denn aus „meinen“ Zweidritteln muss ich auch noch Zeit für Familie, Schlafen, Fahrwege, sämtliche Aspekte der Lebensadministrative wie Einkaufen, Garten, Haus und Tiere, Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und diverses Zwangs-Socializing bestreiten. Ja, sogar Elternabende werden einem nicht ersetzt (sagt einer, der der Auffassung ist, dass Betriebsfeiern definitiv als Arbeitszeit anzurechnen sind) ... Ich hatte in meinem Leben eine einzige Stunde Musik-Instrumenten-Unterricht. Bereits in der Folgewoche hatte ich just zu der Uhrzeit was Besseres vor! So versandete auch dieser Versuch, termingebundene Freizeitbeschäftigung in mein Kinderleben zu integrieren. Die meisten ADHSler, die ich kenne, sind übrigens, ich vermute aus eben diesen Gründen, ebenso begeisterte Autodidakten wie ich.
Der gesellschaftliche Zwang der täglichen Struktur ist nicht Meins
Soweit ich mich erinnern kann – in meinem zarten Alter von 6 Jahren habe ich erschüttert feststellen müssen, dass der Mensch nicht frei ist, gegen jegliche institutionalisierte und damit zeitgebundene Beschäftigung gewehrt. Ich gebe zu, dass die Schulpflicht ihren Sinn hat. Aber keiner sagt einem am ersten Schultag, dass ab genau jetzt für ungefähr die nächsten 60 Jahre alle persönliche Freiheit futsch ist und man mindestens 5 der 7 Wochentage nicht mehr wird ausschlafen können. Statt im Einklang mit der natürlichen inneren Uhr zu leben, wird man sechs Jahrzehnte von übergriffigen Weckern beherrscht und ist gezwungen, quasi national tradiert, nach Vorgaben getaktet zu essen statt dann, wann man Hunger hat.
Das alles kann nicht gesund sein, sagt die innere Auflehnung dagegen. Ich wage zu behaupten, dass manche als „ADHS-typisch“ bezeichnete Ess- und Schlafstörungen dort ihren Ursprung haben, und als Ausdruck der Diskrepanz zwischen individueller innerer Natur und gesellschaftskulturellen Zwängen zu verstehen sind. Nicht nur des ADHSlers Idiosynkrasien, also Abweichungen von der Norm, Spleens, Marotten und Eigentümlichkeiten werden, anstatt als ein im Kerne vielleicht doch ganz gesundes, weil der eigenen inneren Stimme folgendes Bei-Sich-Sein interpretiert zu werden, seit jeher gern mal pathologisiert. Und übelstenfalls ist man schon in der Kindheit durch „Erziehung“ so sehr in Schräglage gebracht, dass später dann tatsächlich Störungen draus werden. Der Zwang, im Widerspruch zu Appetit und Hungergefühl den Teller leer und auch den als eklig empfundenen Rosenkohl essen zu müssen, kann nur zu falschen Konnotationen und Prägungen führen.
Süßigkeiten als Trost und Belohnung in der Kindheit werden mit hoher Wahrscheinlichkeit, der tatsächlichen Einstiegsdroge Zucker sei Dank, die Aktivierung und den Ausbau der im Hirn angelegten Suchtstrukturen forcieren, die einen dann, in welcher Ausprägung auch immer, ein Leben lang begleiten. Oder sie führen zu somatisch bedenklichen Gewichtsproblemen, wie es in die andere Richtung auch die Schönheitsideale tun, die uns von Kindesbeinen an „aufdoktriniert“ werden, was insbesondere bei Mädchen und Frauen zu fatalen Selbstentwertungsprozessen und lebensbedrohlichen Essstörungen bei ihren Versuchen, diese zweifelhaften Ideale zu erfüllen, führen kann.
Das Laufen schaffte ein besseres Wohlbefinden. Bis…
So wurden die fünf Kilometer bald ein Klacks! Bald lief ich 10, ab und zu mal 20 km und passte auf, dass mich keine gefühlte Ultraläufer-Selbstüberhöhung befiel.
Und siehe da: Nicht nur die Plauze verschwand und der Körper wurde fitter, ich war auch mental deutlich ausgeglichener als vorher. Ich machte mir keinerlei Leistungsdruck. Es ergaben sich angenehme Sozialkontakte, ich nahm mit Freuden an sonst so befremdlichen Veranstaltungen wie Firmenläufen etc. teil und fühlte mich pudelwohl. Im Winter wurde mir nicht so schnell kalt, das Rauchen wurde weniger und die Ernährung bewusster. Erfolg auf der ganzen Linie!
Leider, wie so oft, brach ausgerechnet dieser überraschend wirksam stabilisierende Faktor im letzten Jahr weg! Herzlichen Dank, liebe Lohnarbeit. Das Resultat? Mehr Genervt, mehr Krankheitstage, weniger Lebensfreude und Belastbarkeit. Aber läuft bestimmt bald wieder besser! Das war immer so!
Die Säbelzahntiger und Mammuts dieser Welt kriegen uns nie, versprochen!
ADHS & Urlaub
21.08.2020
Während ich diese Zeilen tippe, befinde ich mich: im Urlaub (ja, ist es dann noch einer?), zwar zuhause, aber frei von morgendlichem Wecker-Diktat und allabendlicher, meist scheiternder...
Hilfe - Diagnose ADHS auch beim Partner
20.01.2021
Neue Aspekte, Erkenntnisse und Erfahrungen schwirren in diesen Text. Denn seit der ADHS-Diagnose meiner Partnerin lerne ich quasi täglich Neues über ADHS kennen – und über mich.
ADHS & Corona
28.01.2021
Corona ist nicht nur mitten in unser aller Leben geplatzt, es hat sich auf vielerlei Weise eingeschlichen. Erst jetzt bemerken wir, wie tiefgreifend sich die Pandemie auf viele Lebensbereiche auswirkt.